Einladung von der Japanischen Botschaft

Aikidovorführung am Japanfest Bern

Die Wetter-Götter standen auf unsere Seite. Am 9. und 10. September 2023 fand im Historischen Museum Bern bei strahlendem Sonnenschein zum vierten Mal das Nihon Matsuri (Japanfest) statt. Es entstand durch die Zusammenarbeit zwischen der japanischen Botschaft, dem Japanischen Verein Bern (Bern Nipponjin-kai) und dem Museum. Mehr als 4'000 Gäste besuchten dieses Fest und schufen so eine kulturelle Verbindung, einerseits zwischen der Schweiz und Japan, andererseits aber auch zwischen den Besuchern aller anwesenden Nationen. Dieses festliche, fröhliche und harmonische Zusammensein erachte ich gerade in der aktuellen Zeit als wichtig und wertvoll, ganz im Sinne von O Sensei und seiner Aikido-Philosophie.

Dass ich mit meinem Dojo an diesem besonderen Anlass die Lehre und Trainingsmethode von O Sensei vorstellen durfte, erfüllt mich mit grosser Freude. Bereits 2022 zeichnete sich durch die freundliche Unterstützung des damaligen Botschafters Shiraishi Kojiro ab, dass ich mit dieser Aufgabe betraut werden würde. Entsprechend bereitete ich mich zusammen mit meinen Schülern unter der Superrevision meines Mentors Gérard Blaize auf diese ehrenvolle Aufgabe vor.

Nun gut – der Tag unseres Auftrittes war gekommen. Vorgestellt wurden wir von einem Mitarbeiter der japanischen Botschaft mit den folgenden Worten: «Es ist uns eine Freude, dass wir für dieses Jahr das Aikido-Dojo von Urs Keller aus Lyss hier begrüssen dürfen. Im Aikido-Training übt man, den Angriff des Partners zu rufen, um den Partner führen zu können. In den Worten des Aikido-Gründers O Sensei Morihei Ueshiba heisst dies auf Japanisch «Inryoku no tanren». Nach den Erfahrungen von O Sensei Morihei Ueshiba wird die Dualität überwunden, wenn es gelingt, den Angriff zu rufen und den Partner zu führen. Aikido bedeutet, über den Körper an sich selbst zu arbeiten. Gleichzeitig ist Aikido auch ein spiritueller Weg. - Heute zeigt das Dojo von Urs Keller Sensei eine Vorführung inklusive Techniken mit Stock und Schwert. Zudem erfahren Sie Näheres über die Hintergründe und die Geschichte des Aikido und können, wenn Sie möchten, selbst eine Technik ausprobieren. Viel Vergnügen!»

Wir bedankten uns herzlich für diese Einführung – dem genauen Wortlaut können Sie in diesem Link https://www.youtube.com/watch?v=nGnJC0VMfho&t=10s folgen .

Danach starteten wir mit einer Verneigung im Seiza. Anschliessend führten wir eine Kata aus dem Masakatsu Bo Jutsu von O Sensei vor. Bevor es dann mit Aikido weiterging, erläuterten wir auf Deutsch und Japanisch - ich sprach auf Deutsch, und meine Frau übernahm den japanischen Teil - die Hintergründe des Aikido. Den deutschen Wortlaut füge ich hier an: «Wir freuen uns sehr, heute am Japanfest Aikido vorführen zu dürfen. Danke der japanischen Botschaft für die Einladung und das Vertrauen in uns. Danke auch den Aikidoka, die zahlreich erschienen sind. Selbstverständlich auch herzlichen Dank den anwesenden Gästen. Gerne möchten wir, ausgehend von der Bedeutung der Schriftzeichen des Wortes «Aikido», mit einer Definition des Begriffes beginnen.

Die drei Zeichen 合気道 bedeuten: «Der Weg, sich mit dem Ki zu verbinden. Gemeint ist jedoch nicht die Verbindung mit dem Ki des menschlichen Partners, sondern eins zu werden mit dem Ki des Universums. Somit ist Aikido nicht nur eine körperliche Praxis, sondern auch ein spiritueller Weg.  Selbstverständlich stellt sich so die Frage, was es bedeutet, sich mit dem Ki zu vereinen und mit dem Universum eins zu werden. Um dies besser verstehen zu können, muss man wissen, dass das Wort «Aikido» vom Aikido-Gründer Morihei Ueshiba gebildet wurde. Morihei Ueshiba lebte von 1883 bis 1969. Er wurde in der Stadt Tanabe in der heutigen Präfektur Wakayama geboren. Der Shintoismus sowie der Shingon-Buddismus hatten einen starken Einfluss auf die spirituelle Entwicklung von Ueshiba Sensei. Weiter waren mehrere Budo-Schulen, die O Sensei praktizierte, massgebend für die Entstehung des Aikido. Es handelt sich hier um namhafte Schulen wie Yagyu Shinkage Ryu, Hozoin Ryu oder auch Daito Ryu. O Sensei verstand die Essenz dieser Schulen bereits nach kurzer Zeit. Er war jedoch von deren Lehren nicht vollständig befriedigt. Durch diese Erfahrungen ist Aikido entstanden. Ab 1942 nannte O Sensei seine Kunst Aikido. Es liegt nun an uns, die Botschaft dieser Lehre von O Sensei zu verstehen und zu erleben. Hierfür hat er uns Techniken hinterlassen, die der Logik der Budoschulen entsprechen, die er studiert hatte. Die Geisteshaltung, mit der die aktuellen AikidoTechniken ausgeführt werden, unterzog sich aber einem grundlegenden Wandel: Die Aikido-Techniken sind nicht mehr dazu da, das Gegenüber niederzustrecken (一拳必殺 itschi-geki hisatsu), sondern sie sind jetzt dazu da, dass der Partner freiwillig seinen angriffslustigen Geisteszustand aufgibt. Damit dies gelingen kann, muss man muss man vor dem Angriff mit der Technik beginnen. Das Ziel ist es, den Partner anzuziehen und zu führen (引力の鍛錬 inryoku no tanren) (相手の全てを吸収する aite no subete wo kyushu suru). Diese Art und Weise des Übens definiert O Sensei als das Geheimnis «極意 Gokui» des Aikido. Diese Worte und Anleitungen des Gründers sind die Basis aller Techniken, die wir zeigen werden.»

Wir begannen mit Techniken, bei denen das Handgelenk gefasst wird. Über diesen physischen Kontakt sind die Techniken in einem Anfangsstadium leicht zu verstehen. (Für genauere Informationen verweise ich auf das bereits vorher zitierte Video der Vorführung.) Unser Auftritt dauerte knapp eine Stunde. Besonders zeitintensiv waren die Erläuterungen, die von Herrn Shiraishi ausdrücklich gewünscht worden waren. (Gerne werde ich in einem separaten Artikel näheres darüber berichten: an dieser Stelle sei einfach bereits erwähnt, dass es eine indirekte und ganz aussergewöhnliche Verbindung zwischen dem Herrn Botschafter und O Sensei gab.) Die Vorführung war aus meiner Sicht ein voller Erfolg – einerseits wohnten zahlreiche Zuschauer unserem Tun bei, andererseits hatte der Event und die damit verbundene Vorbereitung die Gemeinschaft unseres Dojos gestärkt und gleichzeitig auch Fortschritte bei den einzelnen Aikidoka gefördert. So bin ich froh und dankbar, dass wir auch nächstes Jahr am Japanfest wieder Aikido zeigen dürfen. Besonders freut es mich, weil es das 160-jährige Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Japan ist. In diesem Sinne danke ich Herrn Kawahara, dem Kulturattaché der japanischen Botschaft, für die Zusage fürs nächste Jahr. Ich denke, dass Aikido so, wie es von O Sensei erschaffen wurde, eine positive Schwingung erzeugt. Ich erlebe es als friedlich, und das erachte ich gerade, in der aktuellen Weltlage, als äusserst wichtig. Ein kleiner Beitrag als Aikidoka.

Urs Keller